Einstellung und Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger im Rheinischen Revier zum Strukturwandel und zur
Braunkohle(-nutzung)

Grundsätzlich herrscht in der deutschen Bevölkerung ein breiter Konsens darüber, dass der Schutz des Klimas und damit einhergehend eine Reduktion der CO2-Emmissionen wichtige Ziele sind. Dementsprechend finden auch die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Bevölkerung eine breite Unterstützung. Zugleich wird in den letzten Jahren die Stromerzeugung aus fossilen Energien kritischer bewertet. Daten des Deutschlandtrends vom Anfang des Jahres 2019 belegen, dass die Mehrheit der Bevölkerung einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Braunkohle befürwortet.

Doch trotz der in den Medien in der Tendenz eher negativ konnotierten Darstellung der Braunkohleförderung und Braunkohlenutzung lässt sich erahnen, dass die Umstände in den betroffenen Regionen insbesondere im Rheinischen Revier, in welchem der Hambacher Forst sowie die drei Braunkohletagebauten Inden, Hambach und Garzweiler liegen, sehr viel komplexer und vielschichtiger sind. Denn das Rheinische Revier blickt auf eine jahrhundertlange Tradition der Braunkohleförderung zurück und der Tagebau sowie die ihm vor- und nachgelagerten Sektoren haben eine wichtige Bedeutung als Wirtschaftssektor und Arbeitgeber für die Region. Neben den Beschäftigten sind beispielsweise auch die Bewohner*innen der im Zuge der Braunkohleförderung bereits umgesiedelt oder noch umzusiedelnden Dörfer von dem Braunkohleausstieg betroffen. Aber auch Braunkohlegegner*innen und Umweltaktivist*innen, die sich an Protesten um den Hambacher Wald beteiligen, beeinflussen das Geschehen vor Ort.

Damit zeigt sich, dass die Motiv- und Interessenlagen im Rheinischen Revier sehr divers sind und ein Strukturwandel auf der lokalen Ebene mit unterschiedlichsten Hoffnungen und Sorgen verbunden sein kann. Wie viele Arbeitsplätze gehen verloren? Welche Unternehmen werden abwandern? Welche sich neu ansiedeln? Gelingt die Umfunktionierung der Tagebaugruben zu Naherholungsgebieten? Sollte der Hambacher Wald erhalten bleiben? Ist der Ausstieg aus der Braunkohle 2038 zu früh oder zu spät?

Dies alles sind Fragen, über welche bislang nicht bekannt ist, wie die Menschen im Rheinischen Revier dazu stehen. Wenngleich aus der medialen Berichterstattung häufig der Eindruck entsteht, man wisse, was die Menschen in dieser Region bewegt, so darf dennoch nicht aus dem Blick geraten, dass bislang keine wissenschaftlichen Ergebnisse zur Sicht der Bürger*innen vorliegen, die zeigen, wie sie die aktuellen Entwicklungen bewerten, welche Hoffnungen und Sorgen sie haben, welche Chancen und Herausforderungen sie auf sich zukommen sehen und wie sie der Braunkohle und ihrer Nutzung gegenüberstehen. Fest steht nur, dass die Ansichten, Meinungen und Einstellungen hierzu sehr divers sind, so dass für eine tiefergehende Betrachtung eine differenzierte Analyse verschiedener Betroffenengruppen, Einstellungsmuster sowie deren Motivlagen und Erklärungsfaktoren notwendig sind.

Ziel des geplanten Promotionsvorhabens ist es daher, die Einstellung und Akzeptanz der Bürger*innen differenziert zu betrachten und zu analysieren. Hierzu ist angedacht, in einem ersten Schritt explorative Feldstudien in der Region Rheinisches Revier durchzuführen. Gespräche mit Anwohner*innen, Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, Kommunen sowie weiteren Vertreter*innen aus der Region sollen einen Überblick geben über verschiedene Einstellungsmuster und Motivlagen, mit denen dem Strukturwandel und der Nutzung der Braunkohle begegnet wird. Im Anschluss soll eine quantitative Bevölkerungsbefragung erfolgen, mit der Einstellungen zum Strukturwandel und zur Braunkohle(-nutzung) sowie deren Akzeptanz erfasst werden und auf deren Grundlage, vertiefende Analysen zu den Einstellungen verschiedener Betroffenengruppen durchgeführt werden können.