Grundlagen für die Entwicklung neuer online Messtechnik für H2- und CO2-reiche Gasströme

Die im Rheinischen Braunkohlerevier bevorstehenden Transformationsprozesse werden, von der Sicherstellung der Versorgungssicherheit in Bezug auf Strom und Wärme bis hin zur stofflichen Nutzung von Braunkohle, verschiedene großtechnische Prozesse mit sich bringen, bei denen H2- und CO2-reiche Gasströme gehandhabt, transportiert und abgerechnet werden. Für diese zukunftsträchtigen Technologien kann sich das Rheinische Braunkohlerevier zur Modellregion entwickeln. Der Umgang mit entsprechenden Gasströmen bringt aber erhebliche messtechnische Herausforderungen mit sich, die mit den heute für Erdgase verfügbaren Verfahren und Geräten nicht ohne weiteres bewältigt werden können. Verfahren und Geräte müssen an neue Gaszusammensetzungen angepasst und weiterentwickelt werden. Im Bereich der Messtechnik sind vielfach hoch spezialisierte, global agierende kleine und mittelständische Unternehmen aktiv, deren Ansiedlung in einer Modellregion naheliegend wäre und die die Wirtschaftskraft des Rheinischen Braunkohlereviers nachhaltig stärken könnten. Im Rahmen dieses Promotionsprojekts sollen die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erweiterung des Anwendungsbereichs von Verfahren der modernen Gasmesstechnik gelegt werden.

Verfahren der Gasanalytik beruhen vielfach auf der Ausnutzung von Effekten, die für bestimmte Gaskomponenten spezifisch sind (z.B. Wärmeleitfähigkeits-Detektoren für die Bestimmung von H2- oder He-Konzentrationen in binären Gemischen). Diese Verfahren sind für Multikomponentengemische wie Erdgase nur schwer anwendbar – für zu viele Komponenten müssen spezifische Effekte identifiziert werden, der apparative Aufwand steigt praktisch linear mit der Zahl der Komponenten. Verfahren, die wie die Gaschromatographie eine Vielzahl von Komponenten aufschlüsseln können, erfordern regelmäßige Kalibrierung und teure Hardware, sind nur durch Spezialisten und nur bedingt online einsetzbar.

Vor diesem Hintergrund hat die E.ON Ruhrgas AG bereits 2001 ein Verfahren patentieren lassen, mit dem sich technisch bedeutende Parameter von Erdgasen (Brennwert, Normdichte, Wobbe-Index) korrelativ aus Messungen experimentell leicht zugänglicher Zustandsgrößen bestimmen lassen. Auf Basis dieses Ansatzes wurde in Zusammenarbeit mit der Sensors Europe GmbH und der FlowComp Systemtechnik GmbH das gas-lab Q1 entwickelt, das als kompaktes und robustes Messgerät zur Bestimmung von Gasparametern den Weg in die Praxis fand. Später konnte gezeigt werden, dass sich mit dem gas-lab Q1 auch durch die Einspeisung von Biomethan (aufbereitetem Biogas) verursachte Schwankungen in der Gaszusammensetzung überwachen lassen. Der für das gas-lab Q1 verwendete Ansatz versagt aber bei H2- und / oder CO2-reichen Gemischen, wie sie für die Nutzung regenerativ erzeugten Wasserstoffs oder von abgeschiedenem Kohlendioxid charakteristisch sind. Weder eignet sich dafür die Auswahl der gemessenen Zustandsgrößen, noch erlauben die verwendeten Korrelationen eine Beschreibung entsprechender Gasgemische.

Arbeiten zur Erweiterung der verwendeten experimentellen und korrelativen Ansätze konnten zeigen, dass grundsätzlich auch Gemische mit hohem Anteil an Wasserstoff, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid beschrieben werden können. Inzwischen ist jedoch klar geworden, dass zum damaligen Zeitpunkt die für die Berechnung von Stoffdaten für H2- und CO2-reiche Gemische verwendeten Modelle noch nicht genau genug waren, um aus korrelativen Ansätzen zuverlässig Rückschlüsse auf Zusammensetzung und Eigenschaften der untersuchten Gasgemische zu ziehen. Diesbezüglich wurden in den letzten Jahren in internationaler Zusammenarbeit erhebliche Fortschritte erzielt.

Neben der korrelationsbasierten Messung von Gaszusammensetzungen, bzw. von Gasparametern, hat sich in den letzten Jahren ein Verfahren etabliert, mit dem sich Gaszusammensetzungen in Verteilnetzen bekannter Struktur auf Basis weniger Messpunkte verfolgen lassen. Für Erdgase, deren Zusammensetzung innerhalb von Verteilnetzen aufgrund multipler Einspeisepunkte (Anschlüsse an Hochdruck-Pipelines, Einspeisung von Biomethan, Einspeisung von Wasserstoff) stark schwankt, hat sich dieses von der SmartSim GmbH international vertriebene Verfahren in der Praxis bereits bewährt. SmartSim wird von der PTB und anderen messtechnischen Staatsinstituten als Abrechnungsmethode anerkannt. Um SmartSim oder ähnliche Verfahren zur Verfolgung von Gasqualitäten für H2- und / oder CO2-reiche Gemische anwenden zu können, werden für diese Gemische ebenfalls genaue Stoffdatenmodelle benötigt. Wie für alle Durchflussmessungen bzw. für alle auf Durchflüssen basierenden Verfahren spielt in diesem Fall neben der Zusammensetzung die Dichte der Gase eine entscheidende Rolle. Zur Validierung der Rechnungen und zur Überwachung von eingespeisten Strömen werden die zuvor bereits diskutierten onlinefähigen Analysemethoden benötigt.

Aufgabe

Dieses Promotionsprojekt zielt darauf ab, die Grundlagen für die Anwendung von korrelativen Messverfahren und von Methoden zur Verfolgung von Gasqualitäten in verteilten Netzen auf H2- und / oder CO2-reiche Gemische zu legen bzw. zu festigen. Für die korrelative Bestimmung von Gaszusammensetzungen müssen durch Sensitivitätsanalysen geeignete Messgrößen identifiziert werden. Die Unsicherheit der Beschreibung dieser Messgrößen durch verfügbare Stoffdatenmodelle muss analysiert werden. Erweist sich die Unsicherheit berechneter Größen als Problem für die korrelative Bestimmung der Gaszusammensetzung, so müssen Stoffdatenmodelle gezielt verbessert werden, bzw. relevante Stoffgrößen experimentell bestimmt werden, um eine Basis für verbesserte Korrelationen zu etablieren. Am Lehrstuhl für Thermodynamik der Ruhr-Universität Bochum stehen zum Teil weltweit einzigartige Messverfahren für die hochgenaue Bestimmung von Dichten, Schallgeschwindigkeiten und Viskositäten zur Verfügung. Andere Zustandsgrößen können in Kooperation mit internationalen Partnern hochgenau vermessen werden. Letztlich soll ein Konzept für ein Messgerät entwickelt werden, mit dem sich die korrelative Bestimmung von Gasparametern auf H2- und / oder CO2-reiche Gemische ausweiten lässt. Geprüft werden soll ferner, ob die Genauigkeit der verfügbaren Stoffdatenmodelle für die Anwendung von Verfahren zur Verfolgung der Gaszusammensetzung in verteilten Netzen ausreicht. Werden dabei Probleme identifiziert, sollen diese wenn möglich ausgeräumt werden; gelingt dies im Rahmen einer einzigen Promotion nicht oder nicht vollständig, sollen die zur Ausräumung der Probleme notwendigen Schritte identifiziert werden.

Damit sind in dem geplanten Promotionsprojekt drei Phasen vorgesehen, deren Bearbeitung voraussichtlich jeweils etwa ein Jahr in Anspruch nehmen wird:

  • Sensitivitätsanalyse Gaszusammensetzung / thermodynamische Zustandsgrößen, Quantifizierung von relevanten Unsicherheiten verfügbarer Stoffdatenmodelle (unter Berücksichtigung von Messung und Verfolgung von Gaszusammensetzungen), Auswahl geeigneter Zusammenhänge, Identifikation von Verbesserungsbedarf.

  • Gezielte Messungen als Basis für die verbesserte / validierte Beschreibung relevanter Zustandsgrößen.

  • Ggf. Verbesserung bestehender Stoffdatenmodelle, Entwicklung von Korrelationen für die Bestimmung von Gaszusammensetzungen, Entwicklung des Konzepts für ein entsprechendes Messgerät.

Doktorandin



Erstbetreuung